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Die Geschichte des Krieges: Malyna Powoljsjka aus Slowjansk
21:15
31 липня 2023 р.

Die Geschichte des Krieges: Malyna Powoljsjka aus Slowjansk

Hier schlagen wir Ihnen vor, ein Interview mit dem jungen Roma-Mädchen namens Malyna zu lesen, das seit 2014 alle Grausamkeiten des Krieges erlebt hat.

- Du kommst aus Slowjansk, wann hat für dich der Krieg begonnen?

- Für mich hat der Krieg 2014 begonnen. Und nicht nur für mich, sondern für die ganze Ukraine. Ich lebte zusammen mit meiner Mutter in Slowjansk. Sie war behindert. Ich erzähle eine kurze Vorgeschichte: Mein Vater starb, als ich ein Jahr alt war. Ich lebte mit meiner Mutter und meiner Großmutter zusammen. Meine Mutter war noch gesund und kümmerte sich um meine Oma, die an Diabetes litt. Mit 6 Jahren ging ich zur Schule, aber dann starb meine Oma. Der Stress und die Depression führten dazu, dass meine Mutter auch Diabetes bekam. Deshalb verließ ich die Schule und hörte auf zu lernen. Meine Mutter brauchte ständige Betreuung, und obwohl ich noch so jung war, half ich ihr. Als ich 14-15 Jahre alt war, – es ist kein Geheimnis, dass Roma früh heiraten - hatte meine Mutter Angst vor meiner Zukunft. Sie sagte: «Ich werde dir weder einen Pass noch andere Dokumente ausstellen lassen. Gott bewahre, dass man dich entführt». Sie dachte, wenn ich keinen Pass hätte, würde ich nicht heiraten. Aber heute ist alles anders. Dann wurde meine Mutter krank…

- Lassen Sie uns etwas in das Jahr 2014 zurückgehen. Wie viele Menschen lebten dort mit Ihnen? Wie hat alles begonnen? Haben Sie dort bis zum Jahr 2022 gelebt?

- Im Jahr 2014, als der Krieg begann, wurde unser Haus zerbombt.

- Gab es Verletzte? 

Gott sei Dank nicht. Wir haben das Haus rechtzeitig verlassen und wurden dann durch den «grünen Korridor» nach Donezk evakuiert. Dort blieben wir nicht lange, etwa eine Woche oder noch weniger. Plötzlich wurde gemeldet, dass die Russen den Flughafen in Donezk angegriffen haben und wir wurden nach Kyiw evakuiert. Die älteren Familienmitglieder beschlossen, nicht zu Verwandten zu gehen, da sie alle ihre eigenen Familien hatten. Wir hatten keine Arbeit, nichts. Es brauchte Zeit, um sich anzupassen. Es war Sommer, und wir schlugen Zelte im Wald auf. Das dauerte jedoch nicht lange. Später fand mein Vetter Bekannte in Odessa. Er importierte Autos aus dem Ausland und hat eine Wohnung gemietet, wo wir alle zusammen in Odessa wohnten.

- Das Leben ist besser geworden?

- Ja, allen ging es besser. Aber ich machte mir Sorgen um meine Mutter. Sie benötigte ständig Spritzen, Untersuchungen und Blutdruckmessungen. Im Jahr 2018 erlitt meine Mutter einen Herzinfarkt und wurde operiert. Ich wollte die Dokumente besorgen und wegfahren, aber aufgrund ihrer Krankheit wurde es ihr verboten. Die Dokumente konnten nur am Wohnort ausgestellt werden. Wir hatten Angst, wieder nach Donbass zu fahren, da es dort weiterhin Krieg gab. Man hörte nicht auf, trotzdem glaubten wir an Frieden. Damals wusste ich noch nicht, dass meine Mutter an Krebs leidet. Wir verbrachten viel Zeit im Krankenhaus wegen ihres Bronchialasthmas, und 2019 erlitt sie erneut einen Herzinfarkt.

- Warst du ständig bei deiner Mutter?

- Ja, Gott sei Dank. Ich danke allen Ärzten, die sie geheilt haben. Sie hatte noch Zeit zu leben. Wir haben sie gerettet. Danach gab es Probleme mit der Arbeit bei meinem Bruder, und wir sind alle nach Poltawa umgezogen. Er mietete dort ein Haus, wo wir alle gewohnt haben. Ich widmete meine ganze Zeit meiner Mutter. Am 24. Februar begann der Krieg. Unser Präsident Wolodymyr Selenskyj meldete darüber. Sirenen heulten, und wir wurden aus Poltawa evakuiert. In Lwiw mussten wir umsteigen. Über drei Tage lang konnten wir keinen Zug nehmen, da es zu viele Menschen gab. Meine Mutter saß im Rollstuhl, und alle Plätze waren besetzt. Ich weiß nicht, wie es uns gelungen ist, den Zug zu betreten, aber so haben wir Uzhhorod erreicht. Am Bahnhof wurden wir informiert, wo wir untergebracht werden könnten. Ich möchte mich bei allen bedanken, die an unserer Vermittlung beteiligt waren. Wir wurden mit allem versorgt, was wir brauchten. Die Gesundheit meiner Mutter verschlechterte sich, und nach einer Woche waren wir wieder im Krankenhaus. Es ging ihr immer schlechter.

Ich hatte kein Geld für Untersuchungen und für eine Computertomografie. Ohne Dokumente konnte ich als Binnenflüchtling kein Geld bekommen, obwohl ich diesen Status für meine Mutter beantragt hatte. Es dauerte ziemlich lange, bis alles erledigt war. Die Ärztin Diana Wolodymyriwna bemitleidete uns und machte alles unentgeltlich. Die Leute kannten mich dort schon, da ich ständig bei meiner Mutter war. Diana Wolodymyriwna sagte mir: «Malyna, deine Mutter hat das 4. Stadium des Lungenkrebs». Ich war schockiert und verstand nicht, was passierte. Sie riet mir, neben meiner Mutter nicht zu weinen. Ich spielte vor, als ob alles gut wäre, erzählte ihr, dass wir ausreisen und ich für sie kochen würde, und dann kehren wir nach Hause zurück. Aber ich wusste, dass es nie passieren würde. Der Arzt sagte: «Sie hat noch etwa 3 Monate zu leben. Seien Sie bereit». Ich war verzweifelt und hatte sehr schlechte Gedanken. Ich wollte nicht mehr leben, denn meine Mutter war alles für mich. Ohne sie hatte mein Leben keinen Sinn.

- Du bist noch jung. Du hast das Leben vor dir. 

- Ich erzähle Ihnen, wie ich aus diesem depressiven Zustand herausgekommen bin. Es ist sehr schwer, alleine zu kämpfen. Ich bin das einzige Kind, ein Spätling. Meine Mutter war 43, als sie mich geboren hat. Diana Wolodymyriwna sagte: «Das ist dein Kreuz. Alle haben ihr eigenes Kreuz zu tragen. So ist das Gesetz der Natur». Das gab mir eine neue Perspektive. Ich betete viel um Geduld. Die Großmutter ist gestorben, die Mutter ist gestorben…

- Wann ist deine Mutter gestorben? 

- Sie ist vor sieben Monaten gestorben. Ich habe sie hier in Transkarpatien fern der Heimat begraben. Ich habe alles Mögliche für meine Mutter getan. Vor Gott und mir selbst ist mein Gewissen beruhigt. Ich war bereit, noch hundert Jahre lang für sie zu sorgen, aber…

- Gott sei Dank, dass es eine solche Tochter wie dich gibt. Wessen Foto ist das?

- Das ist meine Mutter. Als sie starb, trug ich Trauerkleidung. Ein Freund von mir hat mir dieses Foto geschenkt. Für mich lebt sie weiter. Ich bin nicht die Einzige und nicht die Letzte, die solche Erfahrungen macht, besonders jetzt, während des Krieges. Ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, die anderen in verschiedenen Umständen helfen. Alles kann ganz anders sein. In meinem verzweifelten Zustand wollte ich gar nichts mehr. Aber wenn du fällst, gibt dir jemand die Hand und hilft dir aufzustehen. So war es bei mir. Alles hat sich verändert.

- Es ist schön zu hören, dass du solche Menschen getroffen hast.

- Eine davon ist Rada. Sie ist so gutherzig, und wir verstehen uns gut. Sie ist keinesfalls gleichgültig gegenüber Menschen wie mir. Es geht uns gut hier, alle sind freundlich. Wir räumen zusammen auf und kochen zusammen.

- Wo wohnst du derzeit?

- Ich wohne in Schelter in Mukatschewo. Die Roma-Organisation «Chirikli» unterstützt uns.

- Wohnst du hier alleine?  

- Genau, aber ich habe einen guten Freund, der mich unterstützt. Er ist Ukrainer. Die Menschen in meiner Umgebung sahen, wie ich meine Mutter betreut habe und wie schwer es mir fiel. Es war für mich keine Frage, ob ich bei meiner Mutter bleiben oder spazieren gehen sollte. Natürlich wählte ich meine Mutter. Ständig. Und die Menschen haben mir geholfen, auch er hat geholfen. Er weiß, dass ich keine Dokumente habe, und er versucht mir dabei zu helfen. Ich erlebe den zweiten Krieg in meinem Leben. Ich habe so viel Grausamkeit gesehen…

 - Was hast du weiter vor? 

- Das Leben leben. Für das Leben kämpfen. Einen Reisepass ausstellen lassen und mich zur Krankenschwester ausbilden lassen. Alles tun, um dienlich zu sein, heiraten und eine Tochter bekommen und ihr den Namen meiner Mutter geben – Toma. Ich wünsche mir, dass der Krieg möglichst schnell endet, dass wir siegen und weiterleben können.

- Danke für deine Aufrichtigkeit. Du bist optimistisch und glaubst an das Beste. Ich bin sicher, es wird dir gut gehen.

- Danke.

Переклад з української на німецьку мову – Марія Немеш.

* * *

За підтримки німецького фонду «Пам’ять, відповідальність і майбутнє» (нім. – Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, скор. – EVZ)


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